Eva Viehoff: Rede "Koloniales Erbe – gesellschafts- und kulturpolitischen Aufarbeitung in Niedersachsen weiter verstärken"
- Es gilt das gesprochene Wort -
[Anrede],
können Sie alle ehemaligen Kolonien des Deutschen Kaiserreiches aufzählen? Auch mir fällt es schwer, wie wohl die meisten Menschen in Niedersachsen.
Aber die Geschichte der ehemaligen Kolonien hat bis heute Einfluss auf unsere Gesellschaft, wie wir auch aktuell an der Black Lives Matter-Bewegung sehen.
Mit dem Antrag „Koloniales Erbe – gesellschafts- und kulturpolitische Aufarbeitung in Niedersachsen weiter verbreiten“ wollen wir verstärkt in die Auseinandersetzung über die eigene Niedersächsische Verantwortung und koloniale Geschichte eintreten.
Weil eben diese Auseinandersetzung mit oder gar eine Aufarbeitung von unserer kolonialen Vergangenheit bislang kaum stattfinden.
Wir erinnern viel zu wenig an und von Ausbeutung, Vertreibung und Mord im Namen Deutschlands und eben auch Niedersachsens in dieser Zeit.
Und bevor Sie mich falsch verstehen, es geht uns nicht darum einen Teil deutscher Geschichte gegen einen anderen auszuspielen oder zu bewerten.
Es ist kein „entweder oder“, sondern es geht vielmehr darum, dass die deutsche Kolonialgeschichte stärker kritisch erforscht wird und auch der gesellschaftliche Diskurs muss verstärkt werden.
So finden sich in den schulischen Curricula nur wenige Ansatzpunkte zur kolonialen Vergangenheit Deutschlands, so dass in unseren Schulen dieses historische Kapitel nur eine sehr kleine Rolle spielt.
Und auch wenn unter grüner Regierungsbeteiligung 2015 in Niedersachsen das Netzwerk Provenienzforschung gegründet und mit dem Forschungsprojekt „Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie“ (PAESE) weiter ausgebaut wurde, wird an unseren Universitäten immer noch nicht ausreichend geforscht.
Auch ein Jahrhundert nach Ende der deutschen Kolonialzeit finden sich in den niedersächsischen Museen und ethnologischen Sammlungen der Universitäten weiterhin Kulturgüter und naturwissenschaftliche Objekte, deren Erwerb unklar ist und die eben eventuell aus anderen Ländern gestohlen und geraubt worden sind. Das sind Objekte und Kulturgüter, die uns nicht gehören.
Neben bildungs- und kulturpolitischen Aspekten beruhen auch Teile der niedersächsischen Industriezweige, wie beispielsweise die Reifenindustrie, auf der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen aus den europäischen Kolonien.
Und wir alle begegnen in unseren Städten und Orten noch immer Straßen, die weiterhin die Namen von Kolonialherren und Kriegsverbrechern tragen.
<Anrede>
Und rassistische Denkmuster, deren Erschaffung und Verbreitung zur Durchführung der europäischen Fremdherrschaft über den Rest der Welt notwendig waren, sind in unserer Gesellschaft bis heute tief verwurzelt.
Die Bilder, die damals geschaffen wurden, um andere Menschen abzuwerten, damit man sie ruhigen Gewissens ausbeuten kann, sind bedauerlicherweise zum Teil auch heute noch -bewusst oder unterbewusst- in unseren Köpfen vorhanden.
[Anrede],
Diese Zustände sind nicht nur unerträglich, unanständig und unfair gegenüber den Herkunftsgesellschaften und allen Nachfahren von kolonisierten Menschen in Deutschland, sondern auch mit unseren heutigen Werten von Gleichberechtigung und Gerechtigkeit unvorstellbar und unvereinbar!